Der Finanzsektor als Hebel für die Kreislaufwirtschaft: Entwicklung und Potenziale von Green Taxonomien
- Anna Nägele
- 17. Sept.
- 5 Min. Lesezeit

Die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft erfordert nicht nur innovative Unternehmen, sondern auch gezielte Investitionen. Der Finanzsektor entscheidet täglich, welche Projekte finanziert werden. Um Kapitalströme konsequent in nachhaltige Geschäftsmodelle zu lenken, braucht es klare Kriterien. Taxonomien bieten genau das: Sie schaffen Transparenz, reduzieren Greenwashing und definieren, welche Aktivitäten tatsächlich einen Beitrag zu Klima- und Umweltzielen leisten. Die EU hat eine Umwelt-Taxonomie erstellt, die viele, jedoch bei weitem nicht alle Wirtschaftsaktivitäten der Europäischen Union abdeckt. Dennoch bietet sie ein gutes, erstes Rahmenwerk um wirtschaftliche Aktivitäten entsprechend ihrer Nachhaltigkeit zu klassifizieren. Zusätzlich gibt es aktuell den Vorschlag einer Sozialen Taxonomie, diese ist jedoch noch in Bearbeitung und wird wohl noch etwas Zeit brauchen, bis sie finalisiert und gültig wird.
Warum Grüne Taxonomien?
Grüne Taxonomien stellen einen Klassifizierungsrahmen bereit, der definiert, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig gelten und wie diese im Detail abzugrenzen sind. Auf diese Weise schaffen sie eine gemeinsame Grundlage für Finanzwirtschaft und Realwirtschaft. Sie erhöhen die Nachvollziehbarkeit von Investitionen, verbessern die Risikobewertung und tragen dazu bei, Finanzströme mit Klimaneutralitätszielen in Einklang zu bringen. Langfristig sollen sie eine ökologisch nachhaltige Wirtschaft fördern und Kapital in Tätigkeiten umleiten, die tatsächlich umweltverträglich sind. Damit eine wirtschaftliche Aktivität als „taxonomiekonform“ gilt, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein:
Erstens muss ein wesentlicher Beitrag zu mindestens einem der Umweltziele der Taxonomie gegeben sein. Die Ziele sind:
Klimaschutz
Klimawandelanpassung
Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Zweitens darf sie keine erheblichen negativen Auswirkungen auf andere Umweltziele verursachen, sie werden auch „Do no significant harm“ Kriterien (DNSH) genannt.
Drittens muss sie mit grundlegenden sozialen Mindeststandards vereinbar sein, insbesondere mit internationalen Arbeits- und Menschenrechtsnormen, wie sie etwa von der OECD oder den Vereinten Nationen definiert werden. Ob diese Bedingungen erfüllt sind, wird über technische Prüfkriterien und Leistungsgrenzen bewertet, die sicherstellen, dass nur tatsächlich nachhaltige Aktivitäten als solche klassifiziert werden. (Trivedi & Srivastava, 2022)
Von Grünen Bonds zu Grünen Taxonomien
Wie wirken diese Prinzipien in der Praxis? Ein Blick auf den Finanzmarkt zeigt, dass die Entwicklung von Taxonomien eng mit dem rasanten Wachstum des Green-Bond-Markts verbunden ist. Mit zunehmender Nachfrage nach grünen Anleihen und nachhaltigen Krediten entstand die Notwendigkeit, verbindliche Standards zu schaffen. Nur so ließ sich sicherstellen, dass die finanzierten Projekte tatsächlich einen positiven Beitrag leisten und nicht in Greenwashing enden.
Taxonomien übernehmen hier die Rolle einer „Einkaufsliste“ für nachhaltige Aktivitäten: Sie geben Investor:innen Klarheit und schaffen die Grundlage, dass Banken ihre Kreditvergabe gezielt an ökologischen Kriterien ausrichten können. Ein Beispiel dafür ist die Green Asset Ratio, die misst, welcher Anteil der finanzierten Wirtschaftsaktivitäten taxonomiekonform ist. Damit werden Taxonomien zu einem entscheidenden Instrument, um Transparenz im Markt herzustellen und Vertrauen zwischen Finanzinstitutionen, Unternehmen und Anleger:innen aufzubauen. (European Commission, 2021; Thinkubator, 2025)
Harmonisierung statt Fragmentierung
Mit der zunehmenden Zahl nationaler Taxonomien wuchs jedoch auch die Gefahr der Fragmentierung. Unterschiedliche Definitionen und Metriken erschweren es internationalen Investor:innen, Kapital über Grenzen hinweg zu mobilisieren. Vor diesem Hintergrund entwickelten 2021 die EU und China gemeinsam die Common Ground Taxonomy (CGT).
Die CGT ist kein globaler Rechtsrahmen, sondern ein Vergleichsinstrument. Sie zeigt auf, wo Überschneidungen zwischen den bestehenden Taxonomien bestehen, und wo Unterschiede bleiben. Grundlage ist die Klassifikation nach ISIC-Codes, die eine internationale Vergleichbarkeit ermöglicht. Erste grüne Anleihen wurden bereits als „CGT-aligned“ emittiert. Zugleich ist die CGT bewusst dynamisch angelegt und soll regelmäßig um neue Sektoren, Umweltziele und Länder erweitert werden. Damit kann sie langfristig zur Brücke für globale Kapitalmärkte werden. (International Platform on Sustainable Finance, 2022)

Globale Perspektiven
Die Entwicklung der Common Ground Taxonomy hat die Tür für eine neue „Geografie der Taxonomien“ geöffnet. Während die EU und China mit der CGT den ersten großen Schritt in Richtung Vergleichbarkeit unternommen haben, ziehen inzwischen weitere Regionen nach. In Südostasien entsteht eine ASEAN-Taxonomie, in Zentralamerika gibt es erste Initiativen für eine gemeinsame Klassifikation und Ende 2023 wurde die Singapore-Asia Taxonomy veröffentlicht – ein potenzieller Gamechanger für nachhaltige Finanzierung in Asien. (International Platform on Sustainable Finance, 2022)
Parallel dazu arbeiten internationale Institutionen daran, die Interoperabilität und Vergleichbarkeit von Taxonomien systematisch voranzutreiben. Die Weltbank, der Internationale Währungsfonds (IWF), die International Finance Corporation (IFC), UNDP, UNEP FI und die Principles for Responsible Investment (UN PRI) beschlossen beispielsweise eine gemeinsame Roadmap, um Standards enger zu verzahnen und einheitliche Werkzeuge für globale Investor:innen bereitzustellen. Ziel ist es, Kapitalströme auch über Ländergrenzen hinweg klar und nachvollziehbar zu lenken. (International Platform on Sustainable Finance, 2022)
Ein zentrales Hindernis bleibt jedoch die Datenverfügbarkeit: Während in Europa etwa Energieausweise oder Emissionsdaten üblich sind, fehlen solche Informationen in vielen Märkten. Auch die Vergleichbarkeit von Metriken ist noch nicht überall gewährleistet – der in der EU verwendete Primärenergiebedarf (PED) wird international selten genutzt. Deshalb betonen die IPSF und UN-DESA, dass Taxonomien nur dann global anschlussfähig sind, wenn sie flexibel genug bleiben, um unterschiedliche nationale Standards zu berücksichtigen, gleichzeitig aber robust genug, um Greenwashing zu verhindern. (UN-DESA & IPSF, 2021)
Damit wird klar: Taxonomien sind nicht nur nationale Instrumente, sondern Teil einer entstehenden globalen Architektur für nachhaltige Finanzmärkte. Die CGT ist ein erster Schritt – langfristig könnten weitere nationale und regionale Systeme in ein Netzwerk eingebunden werden, das Investor:innen weltweit Orientierung gibt und Kapitalströme messbar nachhaltiger macht.

Die Rolle von Finanzierung zirkulärer Geschäftsmodelle bei Thinkubator
Während die internationale Ebene Standards für den Finanzsektor setzt, zeigt sich in der Praxis, dass die Finanzierung zirkulärer Geschäftsmodelle nach wie vor eine Herausforderung ist. Viele dieser Modelle – etwa Product-as-a-Service, Sharing-Plattformen, Reparatur oder Refurbishment – sind zwar taxonomiekonform, werden aber von Banken oft als risikoreich eingestuft. Klassische Bewertungsinstrumente greifen zu kurz, weil sie mit den neuartigen Ertragsstrukturen zirkulärer Modelle nicht kompatibel sind.
Genau hier setzte Thinkubator mit dem Forschungsprojekt CBM+ an. Gemeinsam mit Partner:innen aus Wissenschaft, Finanzsektor und Wirtschaft wurden die Herausforderungen der Finanzierung zirkulärer Modelle untersucht. Eine zentrale Erkenntnis: Es fehlt bislang an robusten Bewertungsinstrumenten und Daten, um Chancen und Risiken zirkulärer Modelle verlässlich einzuschätzen.
Als Antwort entwickelte Thinkubator das Circ-Risk Tool: ein Bewertungsinstrument, das die besonderen Risiko- und Chancenprofile zirkulärer Geschäftsmodelle systematisch erfasst. Es hilft Unternehmen, ihre Taxonomiefähigkeit sichtbar zu machen, und unterstützt Banken sowie Investor:innen dabei, fundierte Finanzierungsentscheidungen zu treffen, sowie Unternehmen den Umständen entsprechend leicht eine Reihe an Soft Facts für ihre Kreditanfragen auszuarbeiten um so potentiell die Bankability zu erhöhen. Mittelfristig wird das Tool mit weiteren Frameworks erweitert. Langfristig soll es auf einer breiten Datenbasis aufbauen, um die Finanzierung zirkulärer Geschäftsmodelle deutlich zu erleichtern (Thinkubator, 2025).
Fazit: Hebelwirkung durch Verbindung von Politik und Praxis
Die Entwicklung von Taxonomien zeigt, wie der Finanzsektor zum Hebel für die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit werden kann. Mit der EU-Umwelt-Taxonomie begann der Weg, die Common Ground Taxonomy sorgt für internationale Anschlussfähigkeit und Projekte wie CBM+ von Thinkubator zeigen, wie diese Rahmenwerke in der Praxis angewendet werden können.
Damit Kapitalströme wirklich in nachhaltige Geschäftsmodelle gelenkt werden, braucht es beides: globale Vergleichbarkeit und praxisnahe Instrumente. Nur wenn internationale Standards und lokale Umsetzung zusammenspielen, kann der Finanzsektor seine volle Wirkung für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft entfalten!
Geschrieben von Leonie Pohl
Quellen:
Climate Bonds Initiative, 2022. Global Green Taxonomy. https://www.climatebonds.net/expertise/taxonomies/climate-bonds-global-taxonomy-landscapes
International Platform on Sustainable Finance, 2022. Common Ground Taxonomy - Climate Change Mitigation, Instruction Report. https://finance.ec.europa.eu/system/files/2021-12/211104-ipsf-common-ground-taxonomy-instruction-report-2021_en.pdf
European Commission, 2021. Commission Delegated Regulation (EU) 2021/2139. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32021R2139
Thinkubator, 2025. CBM+ Insights Report. https://www.thinkubator.earth/circular-business-models
Trivedi & Srivastava, 2022. Fact Sheet: Green taxonomies explained. https://ieefa.org/resources/fact-sheet-green-taxonomies-explained
UN-DESA & IPSF, 2021. Improving compatibility of approaches to identify, verify and align investments to sustainability goals. https://g20sfwg.org/wp-content/uploads/2021/09/G20-SFWG-DESA-and-IPSF-input-paper.pdf
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