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Die 9R Strategien: wie Produkte und Materialien im Kreislauf gehalten werden können


Titelbild Blog Lotte

Ein zirkuläres Geschäftsmodell beruht unter anderem auf der Vermeidung von Abfällen, der Maximierung der Nutzungsintensität über mehrere Produktlebenszyklen hinweg und der Verlängerung der Nutzung von Materialien in jedem Zyklus. Um diese zirkulären Prinzipien umzusetzen, wurden Strategien entwickelt. Das 9R-Framework ist eine weitverbreitete Methode, diese Strategien zu veranschaulichen. Dieser Blogbeitrag soll dazu dienen, das Framework vorzustellen und jede Strategie anhand eines Beispiels zu veranschaulichen. 


Die R-Strategien leiten ihren Namen von den Anfangsbuchstaben der jeweiligen Strategien ab. Das Präfix "re" hat seinen Ursprung im Lateinischen (dt.: "wieder" oder "zurück") und steht für "neu" oder "erneut". In der Wissenschaft besteht keine einheitliche Meinung darüber, wie viele R-Strategien dem Framework zugeordnet werden können. Somit variiert die Anzahl der R-Strategien je nach Veröffentlichung zwischen drei und zehn. 


Das von Potting et al. (2017) vorgestellte und von Kirchherr et al. (2017) bekanntgemachte 9R-Framework ordnet die Strategien nach ihrem Ausmaß an Zirkularität ein (Abb. 1). Ein höheres Ausmaß an Zirkularität bei Materialien in einer Produktkette weist darauf hin, dass diese länger im Kreislauf gehalten werden können und nach der Entsorgung des Produkts vorzugsweise mit ihrer ursprünglichen Qualität wiederverwendet werden können. Dadurch wird der Bedarf an natürlichen Ressourcen für die Produktion reduziert.


Dementsprechend veranschaulicht das 9R-Framework, dass eine höher priorisierte R-Strategie zu geringeren Umweltauswirkungen bei der Erzeugung eines Produkts führt, da der Bedarf an Primärmaterial für die Produktion sinkt. Jedoch muss diese Aussage für jeden spezifischen Fall überprüft werden. Obwohl der Bedarf an Primärmaterial sinkt, kann dieser Rückgang unter Umständen durch erhöhte Aufwendungen im Rückführungs- und Wiederaufbereitungssystem ausgeglichen werden. Daher können Abweichungen von dieser Faustregel auftreten. Dennoch kann diese Faustregel allgemein als Richtlinie verwendet werden.


9R Framework
Abb.1.: 9R Framework - Ausmaß an Zirkularität.

Im Allgemeinen lassen sich die 9R-Strategien in drei Leitlinien unterteilen: Die Strategien R0 bis R2 zielen darauf ab, den Rohstoffaufwand in der Produktion zu vermeiden oder zu reduzieren. Dies wird erreicht, indem Produkte überflüssig gemacht werden, da ihre Funktionen anderweitig bereitgestellt werden können. Darüber hinaus kann der Rohstoffverbrauch durch eine intelligentere Produktherstellung und -nutzung gesenkt werden. Auf diese Weise kann derselbe Gesamtnutzen für Kund:innen mit weniger Rohstoffen sichergestellt werden.


Die Strategien R3 bis R7 verfolgen das Ziel, die Lebensdauer bereits vorhandener Rohstoffe die sich bereits in Form von Produkten innerhalb des Wirtschaftssystems befinden, zu verlängern. Mit Hilfe von Wieder- oder Weiterverwendungssystemen von Produkten oder deren Teilen kann der Nutzen ohne zusätzliche Rohstoffentnahme erbracht werden.


Als zuletzt bevorzugte Strategien können R8 und R9 genutzt werden, wenn die Strategien R0 bis R7 nicht mehr anwendbar sind, um die Rohstoffe von Produkten oder Produktteilen zu erfassen, die nicht mehr verwendet werden können. Dabei werden die Komponenten zerlegt oder recycelt. Durch die Gewinnung von Sekundärrohstoffen kann die Extraktion neuer Rohstoffe aus der Umwelt reduziert werden.



9R Framework
Abb. 2.: 9R Framework - Beschreibung einzelner Strategien.

Um die einzelnen R-Strategien (Abb.2) zu verdeutlichen, werden diese anhand eines T-Shirts als Beispiel gezeigt.


R0 Refuse: Das Produkt wird überflüssig gemacht, indem seine Funktion aufgegeben wird oder indem dieselbe Funktion mit einem völlig anderen Produkt angeboten wird.


Es kann auf ein neues T-Shirt verzichtet werden, wenn kein wirklicher Bedarf besteht. 


R1 Rethink: Intelligentere/Intensivere Nutzung von Produkten.


Das T-Shirt kann auf einer Sharing Plattform für eine befristete Zeit gemietet werden und somit für eine längere Zeit intensiver und von mehreren Kund:innen genutzt werden.


R2 Reduce: Steigerung der Effizienz bei der Produktherstellung oder -verwendung durch geringeren Verbrauch von natürlichen Ressourcen und Materialien.


Die Verwendung erneuerbarer und biologisch abbaubarer anstatt fossiler Materialien bei der Textilproduktion spart Energie ein und schont die Umwelt. 


R3 Reuse: Wiederverwendung eines Produkts, das noch in gutem Zustand ist und seine ursprüngliche Funktion erfüllt, durch eine:n andere:n Nutzer:in.


Das T-Shirt kann in einem Second Hand Shop, Flohmarkt oder auf virtuellen Marktplätzen, statt neu gekauft werden. 


R4 Repair: Reparatur und Wartung eines defekten Produkts, damit es mit seiner ursprünglichen Funktion verwendet werden kann.


Das T-Shirt kann repariert werden, beispielsweise durch das Nähen von Löchern oder das Ausbessern von Nähten, statt es bei Gebrauchsspuren wegzuwerfen.


R5 Refurbish: Ein altes/verwendetes Produkt wiederherstellen und es auf den neuesten Stand bringen.


Das T-Shirt kann professionell gereinigt werden, um beispielsweise Flecken zu entfernen und seine Farbe aufzufrischen, um es wieder wie neu aussehen zu lassen.


R6 Remanufacture: Verwendung von Teilen eines ausrangierten Produkts in einem neuen Produkt mit der gleichen Funktion.


Einzelne Stoffteile des T-Shirts, welche noch in gutem Zustand sind, können bei der Produktion neuer T-Shirts verwendet werden. 


R7 Repurpose: Verwendung des ausrangierten Produkts oder seiner Teile in einem neuen Produkt mit einer anderen Funktion.


Beschädigte T-Shirts können beispielsweise als Reinigungstücher verwendet werden. 


R8 Recycle: Verarbeitung von Materialien, um die gleiche (hochwertige) oder eine niedrigere (minderwertige) Qualität zu erhalten.


Wenn ein T-Shirt am Ende seiner Lebensdauer angelangt ist, kann es recycelt werden, indem es in seine Fasern zerlegt und zu neuen Textilien oder anderen Produkten verarbeitet wird.


Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass die Recyclingmöglichkeiten bereits durch das Produktdesign festgelegt werden.


R9 Recover: Verbrennung von Materialien mit Energierückgewinnung.


In Müllverbrennungsanlagen werden nicht mehr brauchbare Textilien verbrannt, wodurch aus diesen Abfällen Energie zurückgewonnen wird. 


Diverse Wertschöpfungsketten sollten anhand dieser 9R Strategien neu bedacht und gegebenenfalls umstrukturiert werden, um diese ressourcenschonender zu gestalten und somit zu einem kreislauffähigen Wirtschaftssystem beizutragen. 




Geschrieben von Lotte Lehtovuori


  1. Kirchherr, Julian; Reike, Denise; Hekkert, Marko (2017): Conceptualizing the circular economy: An analysis of 114 definitions. In: Resources, Conservation and Recycling 127, S. 221–232.


  1. Potting, José; Worrell, Ernst; Hekkert, M. P. (2017): Circular Economy: Measuring innovation in the product chain. Hg. v. PBL Netherlands Environmental Assessment Agency. PBL Netherlands Environmental Assessment Agency. The Hague.


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